Roger Bähler setzt sich mit Leib und Seele für beste Kaffeeerlebnisse ein. Wir wollten von ihm wissen, wie man das Bohnengetränk heutzutage erfolgreich vermarktet, welcher Kaffee wozu passt – und was ein Kaffee-Sommelier draufhaben muss. 

Herr Bähler, Sie sind seit dem 16. Lebensjahr ein grosser Kaffeefan. Wie sehr steht die heutige Jugend auf Kaffee?

Wir haben viele Berührungspunkte mit Kettenbetrieben, die Kaffeemischgetränke anbieten, und da ist die Zielgruppe jünger geworden. Wir reden von einer Zielgruppe, die ein unheimlich grosses Interesse an Kaffee und Kaffeeprodukten hat. Ich erinnere mich noch, dass man früher zu den Jungen gesagt hat: «Bevor du erwachsen bist, darfst du keinen Kaffee trinken! » Heute bekommt man Kaffee fast schon mit dem Babyfläschchen. 

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Zur Person

Roger Bähler

Der Ostschweizer ist gelernter Koch und wurde nach vielen Aus- und Weiterbildungen sowie Stationen in Marketing und Verkauf CEO bei Turm Kaffee, der ältesten Kaffeerösterei der Schweiz. Er doziert zudem in der Ausbildung zum Schweizer Kaffee-Sommelier.

turmkaffee.ch

Warum sollten Bäckereien und Restaurants dem Kaffee besondere Beachtung schenken?

Kaffee ist in der Gastronomie eines der am meisten frequentierten Produkte. Das gibt an sich schon vor, dass dem Produkt Beachtung geschenkt werden sollte. Trotzdem ist aber öfter feststellbar, dass der Kaffee eher Mittel zum Zweck ist: Man weiss zwar, dass es Kaffee braucht. Aber damit Kaffee richtig ‹gelebt wird› – nach den Ansprüchen, die heutige Konsumenten haben –, muss noch einiges passieren.

Wie kann man sich mit seinem Kaffeeangebot sinnvoll von der Masse abheben?

Da gibt es aus meiner Sicht ein einfaches Rezept: Wissen, was man verkauft. Bewusst verkaufen, Wissen vermitteln, ausbilden lassen – ich denke, das ist ein Erfolgsfaktor, auch in Zukunft. Gerade Bäckereien haben da eine Riesenchance, denn sie kreieren bereits wertvolle Zubereitungen im Hintergrund, Kunststücke, gerade auch in der Confiserie. Dasselbe darf man auch mit dem Kaffee machen. Bohnen sind grundsätzlich austauschbar – man muss Kaffee einfach leben und erlebbar machen. Er ist ein sozialpolitisches Produkt. Ich gönne mir ja einen Kaffee, weil ich mir etwas Gutes tun will. Das muss man etwas personifizieren und mit Wissen, Freude und Begeisterung vereinen sowie mit einer fachgerechten Zubereitung umrahmen. 

Was sind die wichtigsten Dos und Don’ts bei der Zubereitung eines guten Kaffees?

Ein klares Don’t: Kaffeeprodukte servieren, ohne zu wissen, was drin ist, wie ich es zubereite, worauf es ankommt. Es beginnt bei der Zubereitung und endet beim Wissen über die Bohnen und den Produzenten, woher der Kaffee kommt, wer der Röster ist. Wenn ich null Bezug habe zu dem Produkt, das ich serviere, und es dem Gast übergebe, ist das aus meiner Sicht ein absolutes No-Go.

Gibt es beim Kaffee Pairings, ähnlich wie beim Wein?

Es gibt sehr viele sehr gute territoriale Kaffees mit unheimlich vielen sensorischen Geschmacksnuancen und Flavours. Gerade in der Bäckerei- und der Confiseriebranche kann man damit sehr gut spielen, in Kombination mit allen Süsswaren-Zubereitungsarten. Dasselbe gilt für das Pairing mit Cocktails, für Kaffee- Spezialgetränke. Dazu eignen sich unterschiedliche Kaffees unheimlich gut. 

Was für Beispiele gibt es für gelungene Kaffee-Pairings?

Ein Kaffee, der viel Fruchtaroma hat, beispielsweise ein kenianischer Kaffee, der Johannis- und Himbeernuancen enthält, eignet sich gut für eine Schokoladen-kombination, das ist sehr erfrischend. Mit Kaffee aus einer Chemex- oder V60-Filterkanne und Zitrusgebäck oder einem feinen Eclair lassen sich schöne Momente kreieren. Man kann auch einen guten Espresso mit Portwein kombinieren – sie unterstützen einander geschmacklich. Damit kann man Geniesser verführen. Ein Klassiker ist der Rum: Man nehme einen Kaffee aus Guatemala und Zacapa-Rum: Damit lassen sich Höhenflüge erleben. Exotisch wird es mit Gewürzen: Man kann beispielsweise einen Zander mit einer Gewürzmischung aus frischem Pfeffer und Kaffeeraspeln verfeinern, das ist ganz interessant.

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Nicht ohne, diese Bohne!

Kaffee – die meisten kennen ihn in klassischer flüssiger, heiss aufgegossener Form. Doch das schwarze Gold kann mehr, sei es als Gewürz, Sirup oder in Kombination mit Früchten. Skeptisch? Lassen Sie sich von Rolf Caviezels und Roger Bählers Rezepten inspirieren und experimentieren Sie selbst.

Sie sind unter anderem in der Ausbildung von Kaffee-Sommeliers tätig. Was lernen die, und was machen sie nach der Ausbildung?

Die Idee ist die: Wir haben in der Schweiz einerseits eine Barista-Szene, in der Leute mit manuellen Siebträgermaschinen Topzubereitungen kreieren und auch an Meisterschaften teilnehmen. Aber auch in einem grossen Café oder an einem Seminar mit tausend Leuten, wo es zwanzig Minuten Pause gibt, besteht eine Rechtfertigung dafür, dass Topkaffee serviert wird. Dafür braucht es den Sommelier. Er hat den Auftrag, unterschiedliche Konzepte bespielen zu können, zu beraten und so auszurichten, dass jedes Konzept die beste Kaffeequalität erfährt. Das kann ein Spital mit einem 50-Liter-Brüher sein, das kann aber auch eine Topbar mit einem Barista sein, der als Bartender agiert. Die Sommeliers lernen alles: die tägliche Zubereitung, unterschiedliche Zubereitungsarten, vom Grünkaffee über das Rösten und die Qualitätssicherung bis hin zu sensorischen Attributen. Der Sommelier ist somit der Qualitätsprüfer «in der Tasse », der Allrounder rund um Kaffee. 

Der Sommelier steht für beste Kaffeequalität für jedes Konzept.

Roger Bähler

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Kaffeewelten

Roger Bähler hat mit Koch Rolf Caviezel das Buch «Kaffeewelten» verfasst. Das Werk enthält etliche einzigartige Kaffeerezepte.

Rolf Caviezel und Roger Bähler
Fona Verlag
ISBN: 978-3-03780-607-4

2016 sagten Sie, der Trend gehe dahin, dass die Leute zwar weniger Kaffee trinken, das jedoch bewusster an ausgewählten Standorten tun. Wie blicken Sie heute in die Zukunft des Kaffees?

Der Konsum pro Kopf stagniert heute weiterhin. Und wie gesagt: Heute sind die jungen Menschen unsere Kunden. Und die Konsumenten gehen zurzeit bewusster mit dem Kaffeeprodukt um. So gehen sie lieber ein paar hundert Meter weiter und konsumieren dort ein spezifisches Produkt, weil sie wissen, dass es gut ist. Man sieht das auch im Haushalt: Was die Leute alles anschaffen, das ist «back to the roots». Da wird wieder selber zubereitet, man möchte einen Bezug haben zum Produkt. Und das heisst auch: Wer bewusst konsumiert, lässt auch gern einen Fünfer mehr liegen für einen Kaffee oder entsprechendes Zubehör. Das wird auch in Zukunft so sein. 

… und darauf sollte sich einstellen, wer Kaffee verkauft?

Ja, das ist ein guter Hinweis. Bäckereien und Restaurants sollten die Leute fachlich ausbilden, generell sagen, was verkauft wird, einen Bezug haben zu den Produkten. Nebst der Topqualität bei den Produkten kann man sich heute nur noch mit gut ausgebildetem Personal behaupten. Das ist eine Investition, die sich bezahlt macht. Und es geht vornehmlich um junge Leute, das merken wir auch in unserer Ausbildung. Meine Generation und Ältere kommen da nicht mehr hin, die haben das fast schon gesehen. Die jungen Leute wollen wieder selbst zubereiten, hebeln, bewusst konsumieren – und das freut uns.

Bild: Roger Bähler

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Raphael Dorigo

Autor

Als Sprachgourmet kreiere ich leidenschaftlich Texte, die mehr sind als Wortsalat.

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