Wie umweltfreundlich sind die Zutaten und Lebensmittel, die Sie einkaufen? Genau diese Informationen stellen Charlotte de La Baume und ihr Unternehmen Beelong Betrieben und Konsument:innen zur Verfügung. Sie hat uns das ECO-SCORE-Rating und seine Vorteile erklärt.
Charlotte de La Baume gründete Beelong, um Transparenz über die Umweltauswirkungen von Lebensmitteln zu schaffen.
Das Bewertungssystem von Beelong berücksichtigt CO₂-Ausstoss, Biodiversität, Ressourcennutzung und mehr.
Der ECO-SCORE hilft Gastronomiebetrieben und Lebensmittelmarken, ihre Nachhaltigkeit zu kommunizieren.
Beelong möchte den ECO-SCORE weiterverbreiten und ruft zu stärkerer Zusammenarbeit von Labels, Firmen und Regierung auf.
Charlotte de La Baume, was bewog Sie dazu, das Unternehmen Beelong zu gründen, das sich für die Umwelt engagiert?
Die Idee kam mir während meines Studiums an der École hôtelière de Lausanne. Ich lernte dort viel über das Kochen, die Beschaffung von Produkten und das Servieren von Gerichten. Nachhaltigkeit war damals jedoch nicht Teil der Kurse. Gemeinsam mit meinen Kommiliton:innen war ich der Meinung, dass es in dieser Hinsicht zusätzliche Kriterien geben sollte, die sich nicht nur auf Produktqualität und Preis beziehen. Wir entwickelten eine erste Version eines Nachhaltigkeitsindikators. Als wir anfingen, Informationen über die Nachhaltigkeit eines Produkts zu sammeln, stellten wir fest, dass wenig Transparenz vorhanden war.
Sie wurden 2014 Mitgründerin der Firma Beelong, die die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln bewertet. Was genau verrät der ECO-SCORE den Käufer:innen und Konsument:innen?
Sie bietet ihnen eine verständliche, zuverlässige Bewertung der Umweltauswirkungen von Lebensmitteln. Unser Rating ist oft ihr einziger Zugang zu diesen Informationen. Wir berücksichtigen Faktoren wie Treibhausgasemissionen, Transportwege, Auswirkungen auf die Biodiversität und den Verbrauch von Ressourcen wie Energie oder Wasser. Wir schauen auch auf ethische Kriterien wie den Tierschutz. Die Bewertung ermöglicht es den Käufer:innen, verschiedene Lebensmittel auf einen Blick zu vergleichen und nachhaltigeren Optionen den Vorzug zu geben.

Charlotte de La Baume
Die 35-jährige Lausannerin hat International Hospitality Management studiert und ist Mitgründerin und geschäftsführende Partnerin der Ratingfirma Beelong sowie Waadtländer Co-Präsidentin von «Der Gewerbeverein».

Restaurants oder Bäckereien können die Nachhaltigkeit ihrer Produkte mit Ihrer Hilfe ausweisen. Welchen Nutzen ziehen Betriebe daraus?
Betrachten wir das Beispiel der Bäckereien: Sie kaufen Zutaten ein und verkaufen hauptsächlich zubereitete Produkte wie Gipfeli, Sandwiches und vieles mehr. Die Angabe des ECO-SCORE auf physischen Etiketten oder online kann dazu beitragen, das Engagement eines Betriebs für Nachhaltigkeit zu demonstrieren, Transparenz zu gewährleisten und Vertrauen bei Kund:innen aufzubauen. Sie trägt auch dazu bei, umweltbewusste Kund:innen zu gewinnen und zu halten. Der ECO-SCORE hilft Unternehmen zudem, Verbesserungsmöglichkeiten bei der Nachhaltigkeit ihrer Beschaffung zu erkennen.
Welche Schritte sind nötig, damit ein Betrieb den ECO-SCORE anzeigen kann?
Die Betriebe stellen uns vorgängig Informationen über ihre Produkte zusammen: Inhaltsstoffe und deren Herkunft, Anbaumethoden, Produktionsprozesse, manchmal auch Labels. Im zweiten Schritt beziffern wir von Beelong den CO2-Fussabdruck, die Auswirkungen auf die Biodiversität, den Tierschutz und andere Indikatoren. Anschliessend berechnen wir den ECO-SCORE und teilen die Ergebnisse mit dem Unternehmen. Nach einem abschliessenden Austausch validieren wir den endgültigen ECO-SCORE, und das Unternehmen kann die Bewertung kommunizieren. Im Anschluss daran bieten wir dem Betrieb auch Unterstützung bei der Verbesserung der Produktbewertungen an.
Wie verbreitet ist der ECO-SCORE bereits?
Über 600 Betriebe der Gemeinschaftsgastronomie und mehr als 60 Marken und Handelsunternehmen zeigen den ECO-SCORE bereits, und es werden immer mehr. Restaurants und ähnliche Unternehmen bilden die ECO-SCORE-Informationen auf ihren Speisekarten ab, um einerseits die Gäste über die Umweltauswirkungen ihrer Menüs zu informieren und andererseits jedes Produkt, das sie beziehen, zu bewerten. Das ermöglicht es ihnen, verschiedene Nachhaltigkeitsindikatoren zu erheben und sie mit ihren Nachhaltigkeitszielen zu vergleichen. Lebensmittelmarken nutzen den ECO-SCORE, um die Umweltauswirkungen ihrer Produkte zu bewerten und zu kommunizieren und so Vertrauen bei ihren Konsument:innen aufzubauen. Und Einzel-und Grosshandelsunternehmen integrieren das ECO-SCORE-Rating in ihre Produktlisten und helfen so den Käufer:innen, umweltfreundlichere Optionen zu wählen.
Die Transparenz hat sich seit unserem Start vor über zehn Jahren deutlich verbessert.
Charlotte de La Baume
Mitgründerin Beelong
Ich wünsche mir eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Label-Organisationen, Unternehmen und der Regierung
Charlotte de La Baume
Mitgründung Beelong
Sind Transparenz und Verlässlichkeit bei den Daten zur Umweltfreundlichkeit stets gegeben?
Insgesamt hat sich die Transparenz seit unserem Start vor über zehn Jahren deutlich verbessert. Wir verwenden die besten verfügbaren Daten, aber der Detailgrad ist je nach Produkt und Transparenz der Lieferkette unterschiedlich. Wir verwenden Daten aus offiziellen Ökobilanz-Datenbanken. Sind keine genauen Angaben verfügbar, verwenden wir Branchendurchschnitte und spezifische Annahmen, um Konsistenz zu gewährleisten. Unsere Methodik wird ständig aktualisiert, um die Genauigkeit zu verbessern und den neusten Stand der Umweltforschung zu berücksichtigen. Wir beziehen auch viele Informationen direkt von Marken und Restaurants, mit denen wir zusammenarbeiten.

Wie beurteilen Sie die Lebensmittel-Nachhaltigkeitslabels der Schweiz?
Schweizer Food-Labels spielen eine wichtige Rolle beim Informieren der Konsument:innen und der Förderung nachhaltiger Praktiken. Die meisten davon sind jedoch landwirtschaftliche Labels, die nur einen Bruchteil der Produkte auszeichnen. Das bedeutet, dass für die grosse Mehrheit der Lebensmittel keine Informationen über die Umweltauswirkungen vorhanden sind. Auch die Vereinheitlichung und die Verständlichkeit der Le-bensmittelkennzeichnungen sind verbesserungswürdig, denn beim derzeitigen Stand sind die Kund:innen manchmal verwirrt. Zudem wünsche ich mir eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Label-Organisationen, Unternehmen und der Regierung, um nachhaltige Produkte besser zugänglich und Nachhaltigkeitsmassnahmen besser umsetzbar zu machen. Bislang gibt es meist nur vereinzelte, individuelle Bemühungen.
Was plant Beelong für die Zukunft?
Wir möchten unseren Einfluss vergrössern und weiterhin eine Vorreiterrolle bei der Förderung der Nachhaltigkeit in der Lebensmittelindustrie einnehmen. Natürlich wollen wir die Zahl der Unternehmen und Produkte erhöhen, die den ECO-SCORE anzeigen. Konkret planen wir, in diesem Jahr gemeinsam mit einigen unserer Partner:innen unsere Reichweite auf Deutschland auszudehnen. Wir hoffen, durch diese Bemühungen einen systemischen Wandel in der Lebensmittelindustrie hin zu einer nachhaltigeren und verantwortungsvolleren Zukunft voranzutreiben.
Fotos: Gettyimages FangXiaNuo, beelong