Stephan Scheuner überblickt in seinen Rollen Getreide aus der Schweiz von A bis Z. Wir haben ihn zu Nachhaltigkeit und Swissness in der Getreideproduktion und -verarbeitung befragt und ihn um eine Botschaft an die Bäckerei- und Gastronomiebetriebe gebeten.
Stephan Scheuner begleitet die gesamte Wertschöpfungskette vom Anbau bis zum Brot.
Wetterextreme führten 2024 zu einer historisch schlechten Getreideernte in der Schweiz, berichtet er.
Die Balance zwischen Ökologie, Wirtschaftlichkeit und Qualität ist für Stephan Scheuner zentral.
Ob die Deklarationspflicht der Herkunft von Brot und Backwaren Schweizer Produkten hilft, liege in der Hand der Konsument:innen.
Mit der Marke «Schweizer Brot» lässt sich Schweizer Herkunft sichtbar machen und Wertschöpfung im Inland fördern.
Herr Scheuner, wie haben Sie zu Ihren Rollen bei «swiss granum» und «Schweizer Brot» gefunden?
Ich bin auf einem Bauernhof im Berner Oberland aufgewachsen. Die Betriebszweige umfassten die Milchproduktion, einen Alpbetrieb und etwas Ackerbau. Dadurch wurde bei mir das Interesse an der Agrarökonomie geweckt. Im Studium haben mich die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Bereichen wie Tierhaltung, Ackerbau und Lebensmittelherstellung besonders interessiert. In meinen jetzigen Rollen habe ich mit mehreren Wertschöpfungsketten zu tun und finde die Zusammenhänge darin sehr spannend. Mich reizt es, mit all den Partner:innen entlang dieser Kette zusammenzuarbeiten und ihre Interessen miteinander in Einklang zu bringen.
Sie haben stets die Getreideernte in der Schweiz im Blick. Wie verläuft die Entwicklung aktuell?
Die letzten Jahre waren sehr herausfordernd. 2024 hatten wir eine historisch ertragsarme Ernte. Vielfach liegt es an Wettereinflüssen: Wenn es zu nass oder zu trocken ist oder wie 2024 zu wenig Sonnenlicht vorhanden ist, ist es schwierig, die gewünschten Mengen zu erreichen.
2023 wurde die «Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050» publiziert. Was bedeutet sie für die Getreidebranche?
Die Strategie hat mehrere Ziele. Einerseits, dass man klima- und standortangepasst produziert. Die Schweiz soll sich durch ihre Landwirtschaft auch zu mindestens 50 Prozent selbst versorgen können. Die Strategie möchte zudem, dass sich die Bevölkerung gesund und ausgewogen ernähren kann und dass die Landwirtschaft die Treibhausgasemissionen reduziert. Die definierten Massnahmen betreffen alle Partner:innen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – also nicht nur die landwirtschaftliche Produktion, sondern auch die Verarbeitung, den Handel und die Konsument:innen.

Stephan Scheuner
Der ausgebildete Agrarökonom aus dem Berner Oberland ist Direktor der Branchenorganisation «swiss granum» sowie Geschäftsführer des Vereins Schweizer Brot.
Apropos Ernährung: Haben Getreide und Brot zu Unrecht einen schlechten Ruf, was gesunde Ernährung anbelangt?
Das kann man schon so sagen. Manchmal wird Brot bei diesem Thema zu Unrecht in eine schlechte Ecke gestellt. In der Lebensmittelpyramide ist Getreide als Stärkelieferant ein wichtiger Teil einer gesunden, ausgewogenen Ernährung. Clever kombiniert mit eiweisshaltigen Produkten wie Eiern, Käse oder anderen Milchprodukten sowie Gurken und Tomaten, kann mit Brot schnell eine vollwertige Mahlzeit zusammengestellt werden. Je nach Getreideart enthält Brot zudem reichlich Ballaststoffe, Mineralstoffe wie Eisen, Magnesium und Zink, pflanzliches Eiweiss sowie Vitamine der B-Gruppe und Folsäure.
Manchmal wird Brot beim Thema Ernährung zu Unrecht in eine schlechte Ecke gestellt.
Stephan Scheuner
Direktor der Branchenorganisation «swiss granum»
Teils bedeutet mehr Nachhaltigkeit weniger Ertrag. Wie stehen Sie zu diesem Konflikt?
Nachhaltigkeit umfasst drei Komponenten: eine ökologische, eine wirtschaftliche und eine soziale. Massnahmen auf all diesen Ebenen können sich auf Ertrag und Qualität der Ernte auswirken. Setzt man beispielsweise beim Anbau von Brotgetreide weniger Dünger ein, dann kann nicht nur der Ertrag zurückgehen, sondern auch der Proteingehalt oder die Qualität generell können Einbussen erleiden. Es gibt eine Arbeitsgruppe von «swiss granum», die sich damit beschäftigt, wie der Spagat zwischen Nachhaltigkeit, Ertrag und Qualität beim Brotgetreide optimal gelingen kann. Denn es gilt, alle drei Komponenten der Nachhaltigkeit im Blick zu behalten. Die Konsument:innen müssen letztlich durch ihre Nachfrage dazu beitragen, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Modewort bleibt, sondern auch ökonomisch auf dem Markt realisiert werden kann.
Seit dem 1. Februar 2025 gilt die Herkunftsdeklarationspflicht für Brot und Feinbackwaren. Sind Sie optimistisch, dass sie Schweizer Ware zu einem Aufschwung verhelfen wird?
Die Deklarationspflicht entstand als Reaktion darauf, dass die Importe von Back und Konditoreiwaren in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen sind. Da nun die Herkunft auch im Offenverkauf deklariert werden muss, können sich die Konsument:innen bewusst für ein Produkt von hier entscheiden. Ob das der Schweizer Ware unmittelbar hilft, ist schwer zu sagen. Die Konsument:innen haben nun die Wahl und es besteht Transparenz bezüglich des Produktionslandes. Zu welchem Grad sie sich für Schweizer Herkunft entscheiden werden, wird sich zeigen.

Worauf können Bäcker:innen achten, die nachhaltiges Getreide beziehen möchten?
Es gibt Labelprogramme wie Bio, IP-SUISSE oder Suisse Garantie, die ökologische Anforderungen umfassen. Bei der sozialen Nachhaltigkeit ist es etwas schwieriger. Hier kann man auf lokale Zusammenarbeit setzen und regionale Produzent:innen oder Verarbeiter:innen berücksichtigen – das ist durch die kurzen Transportwege auch ökologisch nachhaltiger. Und da die Wert-schöpfung hier passiert, fördert das auch Schweizer Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze, Schweizer Firmen, die hier Steuern zahlen – so kommt auch die ökonomische Seite zum Zug. Wenn man das umgesetzt hat, ist es wichtig, es auch zu kommunizieren. Das kann man beispielsweise mit unserer Marke «Schweizer Brot» tun.
Erzählen Sie uns von dieser Marke.
Die Marke «Schweizer Brot» wird vom Verein Schweizer Brot zur Verfügung gestellt. Sie weist aus, dass das Getreide mindestens Suisse-Garantie-Anforderungen entspricht, zu mindestens 80 Prozent aus der Schweiz stammt und das Produkt zu 100 Prozent in der Schweiz verarbeitet wurde. Man kann sich beim Verein Schweizer Brot melden, wenn man die Marke nutzen möchte – für Mitglieder des Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeisterverbandes ist es kostenlos.
Zum Schluss: Was ist Ihre Botschaft an die Bäcker:innen und Gastronom:innen der Schweiz?
Es ist wichtig, dass sichtbar gemacht wird, was die Schweiz als Produktionsstandort von Rohstoffen, aber auch als Verarbeitungsstandort mit hervorragenden Produkten leisten kann; was unsere Partner:innen entlang der gesamten Kette leisten können. Dazu würde ich mir ein noch stärkeres Bekenntnis wünschen. Ich glaube, wenn wir gemeinsam den Mehrwert der Schweizer Herkunft und Verarbeitung nutzen und mit Überzeugung hervorheben, führt das zum Erfolg. «swiss granum» und der Verein Schweizer Brot unterstützen die Bäckereien und Gastronomiebetriebe hierbei gerne.
Fotos: Gettyimages: Its all about the shot