Wie sieht eine zukunftsfähige Fleischproduktion aus? Daniel Niklaus von IP-SUISSE ist in dieser Hinsicht ein Pionier. Mit uns hat er über Fleischtrends, das Verkaufsargument der Nachhaltigkeit und die Ziele seines Labels gesprochen.

Daniel Niklaus, der Fleischkonsum in der Schweiz nimmt seit Jahren leicht, aber stetig, ab. Was hat Fleisch in der heutigen Schweiz für ein Image?

Fleisch ist ein sensibles Thema geworden, und wir bei IP-SUISSE sehen das als Chance. Der Faktor Klimawandel ist den Leuten heute sehr bewusst. Es geht viel um Nachhaltigkeit, was die Produktionsweise betrifft, und auch vom Tierwohl her. Das Tierwohl ist den Leuten heutzutage wichtig, und in dieser Mission sind wir bei IP-SUISSE schon 30 Jahre unterwegs. Weiter ist heutzutage auch ein vielbeachteter Punkt, wovon sich die Tiere ernähren. 

Natürliches Gras ist in dieser Hinsicht nicht nur nachhaltig, sondern es gilt auch Folgendes zu beachten: Zwei Drittel der landwirtschaftlich produktiven Fläche unseres Planeten sind Graslandschaften, und wenn wir die Menschen auf der Welt ernähren wollen, müssen wir diese nutzen. Heute wird weniger Fleisch gegessen, und das ist richtig, ganz klar. Und wenn man Fleisch isst, sollte man darauf achten, welches man wählt – dann kann man auch  dahinterstehen. Ein Fleisch wie unser Swiss Black Angus ist 100 Prozent vertretbar, was die Verantwortung gegenüber der  Umwelt und dem Tierwohl angeht – so etwas kann man weiterhin reinen Gewissens essen. Eine Welt mit weniger und verantwortungsvollerem Fleischkonsum wäre eine bessere Welt. 

Was für besondere Trends gibt es beim heutigen Fleischkonsum?

Der Rindfleischkonsum in der Schweiz ist ziemlich stabil. Abgenommen hat der Schweinefleischkonsum. Dafür nimmt der Pouletverbrauch zu – das ist in meinen Augen erschreckend. Wenn man sieht, wie diese Hühner gehalten werden; die sind eingesperrt in Hallen ohne Zugang zum Freien. Trotzdem wird das Poulet als gesundes Fleisch wahrgenommen. Ich persönlich esse das nicht mehr, seit ich diese Hallen gesehen habe. Für mich fängt Fleischqualität mit einer guten Tierhaltung an. Ein anderer Faktor ist natürlich auch, dass Pouletfleisch billig ist. Als ich ein Kind war, in den 1960er-Jahren, war der Sonntagsbraten manchmal noch ein Poulet und hat 14 Franken gekostet – hochgerechnet wären das heute wahrscheinlich ungefähr 40 Franken. Da Poulet heute aber billig ist, wird es vermehrt konsumiert.

daniel niklaus auf Wiese mit Regenschirm

Zur Person

Daniel Niklaus

Nach über 30 Jahren als Bauer mit Abschluss in Agrarwissenschaften wurde Daniel Niklaus im Jahr 2017 zum Mitgründer des Fleischlabels «Swiss Black Angus» bei IP-SUISSE, das in Sachen Nachhaltigkeit und Qualität eine Vorreiterrolle auf dem Schweizer Markt einnimmt. 

swissblackangus.ch

Eine Welt mit weniger und verantwortungsvollerem Fleischkonsum wäre eine bessere Welt.

Daniel Niklaus

Wie sollten Gastronom:innen und Bäcker:innen heutzutage mit Fleisch umgehen?

Swiss Black Angus ist da ein perfektes Beispiel: Dahinter steckt eine glaubwürdige Geschichte der verantwortlichen Produktion, die man in der Gastronomie am Tisch erzählen kann. Dank solcher Geschichten sehen die Leute: Hier bekomme ich ein Produkt, hinter dem ich wirklich stehen kann. Die Qualität solcher Produkte unterscheidet sich auch deutlich von dem, was man sonst kennt. Die Marke Black Angus hat weltweit einen guten Ruf als Premium-Produkt. Mit so etwas kann man Gästen wunderbar erklären, wie Genuss und Verantwortung zusammen auf den Teller kommen. 

Wie verbreitet ist Labelfleisch heute in der Gastronomie?

Es wird zwar viel von Regionalität, Verantwortung und Tierwohl geredet, aber bisher ist der Anteil von Labelfleisch in der Gastronomie erschreckend tief – besonders, was Labels anbelangt, die sich wirklich  für das Tierwohl einsetzen. Stattdessen achten leider immer noch zu viele Gastronom:innen vor allem auf den Preis und sagen dann «Ich kaufe es aus der Region », was zwar teils stimmen mag, aber noch gar nichts über die Tierwohlstandards des produzierenden Betriebs aussagt. Bei IP-SUISSE garantieren wir sehr hohe Tierwohlstandards, und deren Einhaltung wird jährlich kontrolliert – unsere Tierhaltungsbetriebe müssen Aufzeichnungen vorlegen, die zeigen, dass die Tiere ins Freie gehen können. 

Daneben müssen die Produzierenden auch nachweisen, dass sie durch ihre Bewirtschaftungsweise  CO2 einsparen und mit Öko-Ausgleichsflächen, Nistmöglichkeiten und anderen Massnahmen die Biodiversität fördern. In der Gastronomie ist Fleisch, das nur den schweizerischen gesetzlichen Minimalstandard erfüllt, sehr verbreitet. Tiere in diesen Betrieben sehen den Himmel genau einmal: Wenn es zum Schlachthof geht. Hier liegt die Chance für die Gastronom:innen: Indem sie etwas Besseres anbieten, können sie den Leuten das Gefühl geben, dass sie Verantwortung übernehmen. Dafür müssen sie zwar etwas mehr zahlen, erhalten dafür aber glaubwürdige, gute Ware. 

Meine Erfahrungen treiben mich an, für das Tierwohl zu kämpfen.

Daniel Niklaus

Was möchten Sie bei IP-SUISSE im Bereich Fleisch erreichen?

Wir möchten Marktanteile gewinnen – darum kämpfen wir jeden Tag. In der Gastronomie sind wir da noch nicht sehr weit. Was uns gerade etwas Steine in den Weg legt, ist das Klima der Verunsicherung, zum Beispiel aufgrund von steigenden Mietzinsen und Nebenkosten. Das trägt dazu bei, dass die Konsument:innen mehr Low-Level-Fleisch einkaufen. Dass sie das tun, liegt aber auch daran, dass sie oft nicht wissen, dass die Schweine und Rinder, von denen dieses billigere Fleisch herkommt, keinen Auslauf ins Freie, keine eingestreuten Liegeflächen haben und nie nach draussen können. Da ist es unsere Aufgabe, in der Kommunikation die Leute darüber aufzuklären, was genau sie da essen. Ich war selbst Bauer, hatte Mutterkühe und Schweine, in Ställen mit Licht, Luft, Stroh und Auslauf. Es macht Freude, Tiere so zu halten. Diese Erfahrungen treiben mich an, für das Tierwohl zu kämpfen. 

Von 2015 bis 2022 ist der Anteil an Vegetarier:innen und Veganer:innen in der Schweiz von 2,9 auf 5 Prozent gestiegen. Wird diese Entwicklung anhalten oder nicht, und warum?

Dieser Trend wird anhalten. Ich sehe Vegetarismus und Veganismus als Chance. Vegetarier:innen und Veganer:innen sensibilisieren die Leute und nehmen sie in die Verantwortung, ihr Konsumverhalten zu überdenken. Die Haltung von Leuten, die konsequent auf Fleisch verzichten, kann andere dazu anregen, darüber nachzudenken, wie sie ihr Konsumverhalten verbessern und mehr auf Tierwohl und Nachhaltigkeit achten könnten. In der Schweiz gibt es weiterhin Tierhaltungen, die man meines Erachtens beenden müsste. Die jüngeren Generationen sind gut informiert und ausgebildet. Sie werden die Verantwortung dafür übernehmen, die Fehlentwicklungen zu korrigieren, die wir Älteren angestossen haben – davon bin ich überzeugt.  

Bilder: zvg

Logo IP Suisse Neu

Info

IP-SUISSE

Der «Schweizerischen Vereinigung integriert produzierender Bauern und Bäuerinnen» gehören rund 18 500 Betriebe an. Sie verpflichten sich damit, bei der Produktion von Lebensmitteln für den täglichen Bedarf besonders viel Rücksicht auf Umwelt, Tiere und Biodiversität zu nehmen. IP-SUISSE legt Massstäbe für die nachhaltige Produktion fest, entwickelt Massnahmenprogramme für deren Einhaltung und lässt diese durch unabhängige Institutionen kontrollieren.
 

ipsuisse.ch

raphael dorigo salat

Raphael Dorigo

Autor

Als Sprachgourmet kreiere ich leidenschaftlich Texte, die mehr sind als Wortsalat.

Teilen Sie diesen Beitrag

Weitere ähnliche Beiträge