Mehl ist nicht gleich Mehl – eine Aussage mit viel Diskussionspotenzial. Kommt dazu: Vor dem Mehl ist das Korn und danach die Verarbeitung in der Backstube. Ein Austausch unter Landwirten, Getreidezüchtern, Müllern und Bäckern zeigt, wie aus einem einfachen Korn ein Brot mit Herkunft, Charakter und Sinn entsteht. Die «panetteria & caffetteria sempreeinsieme» in Möriken-Wildegg ist dabei nicht nur Handwerksbetrieb, sondern auch Botschafterin für ein ganzheitliches Verständnis von Genuss, Nachhaltigkeit und Biodiversität.

In Kürze
  • Die «panetteria & caffetteria sempreeinsieme» legt höchsten Wert auf natürliche Zutaten

  • Inhaber Daniel Hangartner und Bäcker Dominik Wyss arbeiten eng mit ihren Lieferanten zusammen.

  • Die beiden besuchten den Hof von Simon und Urs Bracher, auf deren Feld der Rotkornweizen für eine nächste Kreation wächst.

  • Auch dabei waren Getreidezüchter Hanspeter Saxer und Müllerin Regina Beck.

  • Die Akteure der gesamten Wertschöpfungskette vom Korn bis zum Brot an einem Tisch.

Inhaber Daniel Hangartner hat mit seinem Team in nur einem Jahr zwei Bäckereifilialen aufgebaut, eine in Möriken-Wildegg und eine in Meisterschwanden. Sein Credo: Produkte müssen echt und nachvollziehbar sein. Mit Produktionsleiter Dominik Wyss, einem Bäcker mit Leidenschaft, hat er einen Mitstreiter gefunden, der Getreide als lebendigen Rohstoff begreift – und sich selbst als «Dirigent der Fermentation» bezeichnet.

Saatgut bewahren – Vielfalt erhalten

Ohne Saatgut kein Brot. Hanspeter Saxer, Getreidezüchter und Pionier im Erhalt alter Sorten, kümmert sich seit über 40 Jahren um die genetische Vielfalt des Getreides. Mit dem Ziel, das Korn lebendig zu erhalten. Kultiviert er auf rund 235 Parzellen à 1,5 m² in Handarbeit etwa 130 alte Sorten. Um ihre Keimfähigkeit zu bewahren, säht er jede Sorte etwa alle zwei bis drei Jahre aus. Diese stille, geduldige Arbeit bildet das Fundament für eine Zukunft, in der Biodiversität und Gesundheit vor Ertrag und Effizienz stehen.

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Zum Betrieb

Panetteria & caffetteria sempreeinsieme

5616 Meisterschwanden und 5103 Möriken-Wildegg

Mitarbeitende: Total ca. 30 

Bestseller: Die «Nonna», das Sauerteigbrot mit nur drei Zutaten und einer Haltbarkeit bis zu fünf Tagen. 

Backstuben-Events: In der Filiale Meisterschwanden können die Kund:innen ab Herbst 2025 im «Getreideatelier» dem Bäcker bei seiner Arbeit und dem Getreide bei «seiner Bestimmung» zusehen.

Bioladen: In beiden Filialen werden eine Vielzahl von Bioprodukten für den täglichen Bedarf angeboten.

Getreide als Charakterträger – nicht als Normprodukt

Die Bäckerei arbeitet mit schweizerischem Urgetreide wie Emmer, Hafer, Buchweizen, Roggen oder Dinkel in Bioqualität. Dominik Wyss’ Anspruch: «Dass ich mit jedem Getreide etwas Gutes backen kann.» Es ist nicht das Rezept, das den Ton angibt, sondern das Korn. Statt auf standardisiertes Industriegetreide zu setzen, passt er seine Teigproduktion dem spezifischen Verhalten und den Eigenarten des verwendeten Getreides an. Der Umgang mit natürlichen Schwankungen ist Teil des Handwerks. Es ist kein Mangel, sondern Ausdruck von Respekt gegenüber der Natur. Diese Haltung bringt nicht nur Brote mit Tiefe und Charakter hervor, sondern ist auch ein Gegenentwurf zur industriellen Massenproduktion. Und sie sorgt dafür, dass dank langer Teigführung und gezielter Fermentation sogar Menschen mit Weizensensitivität viele dieser Backwaren geniessen können.

Mein Anspruch ist, dass ich mit jedem Getreide etwas Gutes backen kann.

Dominik Wyss

Bäcker

Wenn Biodiversität zurückkehrt

Das Saatgut Saxers findet seinen Weg auf Höfe wie jenen von Simon und Urs Bracher in Alchenstorf. Simon bemerkte vor über zehn Jahren, dass keine Lerchen mehr über seinen Feldern sangen. «Da wusste ich, ich muss etwas tun», so der passionierte Ornithologe. Diese Erkenntnis war der Wendepunkt und er stellte den Hof auf Bio um. Mit Erfolg begann er, alte Sorten anzubauen. Nicht nur die Biodiversität kehrte zurück, sondern auch das Vertrauen in ein funktionierendes Ökosystem.

Ich hörte keine Lerchen mehr singen. Da wusste ich, ich muss etwas tun.

Simon Bracher

Landwirt

Die Müllerin als Vernetzerin

Ein weiteres Glied in dieser Kette ist die Mühle Landshut in Utzenstorf, geführt von Müllerin Regula Beck. Sie kennt die Herausforderungen und Tücken der Verarbeitung alter Getreidesorten in der Mühle. Dennoch setzt sie sich mit Überzeugung dafür ein und vernetzte damals Simon und Hanspeter miteinander. Es war ein Treffen, das die Weichen stellte für eine neue Art von Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Die Akteure der Wertschöpfungskette

Transparenz statt Massenware

Was in Möriken-Wildegg entsteht, ist mehr als Brot. Es ist ein Produkt, das erzählt, wer es gesät, geerntet und gebacken hat. Das Brot «Nonna» etwa, ein Sauerteigbrot mit nur drei Zutaten, ist der Bestseller der Bäckerei. Es steht sinnbildlich für alles, wofür das Netzwerk einsteht: Klarheit, Reduktion, Herkunft. Wenn alle Beteiligten an einem Tisch sitzen – vom Getreidezüchter bis zum Bäcker – entsteht nicht nur Vertrauen, sondern auch Wissen. Jede Hand kennt die nächste und das Resultat ist ein Lebensmittel mit Seele.

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«Nonna» ein Bestseller bei «sempreeinsieme»

Ein Blick in die Zukunft

Im Herbst wird der Rotkornweizen auf Brachers Feld geerntet. In Dominiks Backstube entsteht daraus ein Brot, das aus der Region stammt, hier verarbeitet und verkauft wird. Für «sempreeinsieme» wird es mehr als ein neues Produkt sein: Es steht als Symbol für eine funktionierende, lokale Wertschöpfungskette. Denn gutes Brot beginnt nicht in der Backstube. Es beginnt mit einem Korn und mit Menschen, die wissen, was es wert ist.

Bilder:  Jürg Waldmeier

sara portrait duden

Sara Hübscher

Autorin

Ob Rezept oder Rechtschreibung – nachschlagen verfeinert.

Bäcker zeigt in zwei Hälften geschnittenes Brot

Branche

Bäckerei und Confiserie

Wir kennen die Bedürfnisse der Bäckerei-, Konditorei-, und Confiseriebranche und unterstützen Sie umfassend.

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