Während einzelne Genossenschaften verschwinden, trägt Pistor seit über 100 Jahren denselben Namen und ist unabhängig geblieben. Das macht sie zu einem Unikat in der Genossenschaftslandschaft. Keine einschränkenden Lieferantenverträge, offene Mitgliedschaft für Bäckereien und Confiserien, gemeinsame Selbsthilfe und Bankenunabhängigkeit: All dies macht die Unabhängigkeit von Pistor aus.

Beständig wie eine Schweizer Uhr

Als das Obligationenrecht 1881 die Rechtsform der Genossenschaft definierte, rollte eine Gründungswelle von Genossenschaften, vor allem im Bereich der Landwirtschaft und der Konsumgüter, über die Schweiz. 1947 zählte die Schweiz sage und schreibe 12 000 Genossenschaften. Die meisten davon sind aber wieder verschwunden, übernommen oder in Aktiengesellschaften umgewandelt worden. In Bezug auf den Umsatz, die Anzahl Mitarbeitende und die über hundertjährige Firmengeschichte liegen nur vier Schweizer Genossenschaften vor Pistor: Coop, Fenaco, die Mobiliar und Raiffeisen. Seit 1916 ist Pistor eine Genossenschaft und stetig gewachsen. Im nationalen Grosshandel sind nebst Pistor Scana, heute Saviva (Heba Food), und Howeg, heute Transgourmet (Coop), tätig. Im Gegensatz zu Saviva und Transgourmet ist Pistor unabhängig und trägt immer noch denselben Namen. Dies untermauert ihre Beständigkeit.

Vierfach unabhängig

Inwiefern ist Pistor unabhängig?

Erstens ist sie nicht von Lieferanten abhängig. Im Vergleich zu Transgourmet beispielsweise, die Coop berücksichtigen muss, pflegt Pistor eine langfristige Partnerschaft mit rund 720 Lieferanten aus dem In- und Ausland. Diese Partnerschaften reduzieren das Klumpenrisiko bei der Beschaffung von Produkten, sodass sich die Kunden auf eine Warenverfügbarkeit von 99 Prozent verlassen können.

Zweitens steht die Tür zum Beitritt in die Pistor Holding Genossenschaft jeder Inhaberin und jedem Inhaber einer Bäckerei oder Confiserie in der Schweiz offen. Genossenschafterinnen und Genossenschafter besitzen maximal 40 Anteilscheine.

Dritter wichtiger Punkt: die Selbsthilfe. In Kriegs- und Krisenjahrzehnten schlossen sich Bäcker und Confiseure zusammen, um sich gegen die Kartelle der Müller und weiterer Vertragslieferanten zu wehren. Bis heute handelt Pistor im Sinne des Genossenschaftszwecks und stellt die Interessen und Bedürfnisse der Bäckereibranche ins Zentrum ihres Handelns.

Weiter ist Pistor bankenunabhängig. Um auch in schwierigen Zeiten den Kunden als unabhängige Partnerin zur Seite zu stehen, legt Pistor vernünftige Reserven an. Dank einer gesunden Substanz sind Investitionen aus eigenen Mitteln möglich, etwa die Übernahme der Handelsaktivitäten von Patiswiss (ehemals EG-Confiseur) oder der Bau des Warenumschlagszentrums (WUZ) West.

Eine Familie hält zusammen

Die Pistor Holding Genossenschaft fungiert als Mutterkonzern der drei Tochterunternehmen Pistor AG, Proback AG und Fairtrade SA – ein Familienkonstrukt also. Die drei Töchter ihrerseits agieren im Sinne der Muttergesellschaft. Der Verwaltungsrat als Branchenvertreter und die Mitglieder sind das «Oberhaupt der Familie». Dieses stellt sicher, dass die Tätigkeiten der Töchter den übergeordneten Genossenschaftszweck erfüllen. Das Handels- und Dienstleistungsunternehmen Pistor, das Beratungsunternehmen Proback und das Rohstoffhandelsunternehmen Fairtrade üben vielfältige Tätigkeiten innerhalb des Familienkonstrukts aus, treten aber nach aussen als Einheit auf. Damit schützt sich die Pistor Holding Genossenschaft vor Übernahmen und hält ihre Unabhängigkeit aufrecht.

Quelle

Ruetz, B. (2016). 100 Jahre Pistor - Vom Lieferanten zum Logistikdienstleister. Zürich: Verein für wirtschaftshistorische Studien.