Zu Besuch in der Bäckerei-Confiserie Merz in Bonaduz. Auf den ersten Blick eine ganz normale Filiale, auf den zweiten aber ist einiges anders: Zum einen findet das Gespräch heute nur unter Frauen statt – in einer Bäckerei alles andere als Alltag; zum anderen wurde der Ladenausbau erstmals komplett von Familienhand geplant und umgesetzt. Wie das geht? So.

Die Merz-Filiale Bonaduz war der erste Ladenausbau durch die Geschwister Merz, für den sich Seraina Merz architektonisch verantwortlich zeichnete – quasi ein Prototyp mit Unterstützung unserer Eltern», sagt Sabrina Fry-Merz, Mitinhaberin und Leiterin Vertrieb und Produkte. «Unser Ziel beim Umbau der Filiale war, einen gemütlichen Ort zu schaffen. Zwar traditionell verankert, aber spürbar verjüngt durch den Stil der dritten Generation.» Dieser widerspiegle sich beispielsweise im Bäckerei-Drive-in sowie in der räumlichen Gestaltung der Filiale. In dieser sitzen wir: die drei Merz-Mitinhaberinnen – Barla Merz sowie ihre beiden Töchter Seraina Merz und Sabrina Fry-Merz – plus der Fotograf und ich, die Redaktorin, bei Kaffee und Wasser.

Unsere Zusammenarbeit funktioniert super und lebt dadurch, dass alle unterschiedlich sind und ein Spezialgebiet haben.

Seraina Merz

Wenn Unterschiede sich vereinen

«Wir wollen kein Kettenbetrieb sein, sondern passen unsere Filialen unseren Mitarbeitenden, die aus der Region stammen, sowie den Menschen, die im Ort leben, an», hält Mutter Barla Merz fest. Und ihre Tochter, Sabrina Fry-Merz, verrät: «Meine Schwester Seraina hat den Innenausbau umgesetzt. Weiter gehören Roni, unser Bruder, und ich zur dritten Generation. Roni ist ebenfalls Mitinhaber sowie Vorsitzender der Geschäftsleitung der Bäckerei-Confiserie Merz mit Sitz in Chur. Er ist unser ‹Gesicht› nach aussen, und das ist gut so – ich bevorzuge den Hintergrund.» Seraina Merz sagt: «Unsere Zusammenarbeit funktioniert super und lebt dadurch, dass alle unterschiedlich sind und ein Spezialgebiet haben.» Fasziniert von der Architektur, absolvierte sie das Studium an der ETH in Zürich. Ihre Begeisterung ist zweifellos an ihren leuchtend-dunkelbraunen Augen zu erkennen. «Ich plane, koordiniere und begleite den Bau vor Ort jeweils bis zur Schlüsselübergabe selbst – wie beispielsweise hier in der Bonaduzer Filiale», lässt Seraina durchblicken.

 

Barla Merz

Barla Merz hat im Familienunternehmen Merz ihre Berufung gefunden. Sie erholt sich in der Natur von Cumbel, einem Bergdorf im Val Lumnezia. Hardrock oder romanischer Rap stehen auf Barlas Playlist und sie liebt es, Zeit mit ihren fünf Enkelkindern zu verbringen.

 

Seraina Merz

Seraina Merz durfte als Kind Berliner backen. Heute ist sie ETH- Architektin und führt zusammen mit Birgit Brewe das Architekturbüro Brewe Merz Architektur in Zürich. Sie gehört mit ihren Geschwistern Sabrina und Roni zur strategischen Leitung des Familienunternehmens. Seraina findet es spannend, Neues zu entwickeln, und hat ein Auge fürs Detail. Und sie mag Bergspaziergänge mit ihrem Mann sowie ihrem einjährigen Sohn.

 

Sabrina Fry-Merz

Sabrina Fry-Merz ist strukturiert, effizient unterwegs und trägt viel Verantwortung mit wenig Stellenprozenten. Die gelernte Dekorateurin ist Mama von zwei Buben im Alter von neun und elf Jahren. Als Familie sind sie sportlich unterwegs – sei es mit dem Bike oder auf den Skiern.

Eine Zuckerbäckerei mit Bodenvitrinen

«In unseren Köpfen schwirrte die Idee einer Zuckerbäckerei von früher herum, kombiniert aus Café und Dorfbeiz», hält Seraina Merz fest. Die Theke aus geräuchertem Eichenholz sei so ausgerichtet, dass die Kunden beim Betreten der Filiale das ganze Angebot im Blick haben. Speziell sei, dass sie auch im Unterbau über Vitrinen verfüge. «Die Gäste im Café erblicken nur knapp zwei Zentimeter der Produkte in der ‹normalen› Auslage. Aber die Spezialitäten im unteren Bereich – momentan sind es Torten – sehe ich sitzend perfekt», erklärt Seraina die Idee. «Der dunkle Holzboden wirkt zusammen mit den petrolfarbigen Sitzbänken zeitlos und elegant.»

Für eine junge und frische Atmosphäre sorgten verschiedene Elemente: «Die Lampen können nach Belieben gedreht und ausgerichtet werden – zum Beispiel, um genügend Licht zum Lesen der Tageszeitung zu haben», führt sie vor. «Die Farbigkeit macht den Unterschied – sie sorgt für den eigenen Charakter der Filiale», ist die leidenschaftliche Architektin überzeugt: «Die rosa Möbel hinter der Theke lassen unsere Mitarbeiterinnen so richtig erstrahlen.»

Pistor Aroma Blog Baeckerei Confiserie Merz Theke
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Die Filiale Bonaduz – der erste gemeinsame Ladenausbau der dritten Merz-Generation. 

Ein Rundlauf im Drive-in

Ein weiterer Hingucker ist das zweiseitige Brotgestell. «So haben auch unsere Kunden am Drive-in-Fenster auf der Rückseite der Filiale die Qual der Wahl», freut sich Sabrina Fry-Merz. Die Theke sei so konzipiert, dass die Verkaufsmitarbeiterinnen in einer Art Rundlauf rasch von der Theke im Laden in die Vorbereitung oder ans Drive-in-Fenster gelangten. «Die Abläufe müssen funktionieren – darauf lege ich nicht nur bei Neubauten ein besonderes Augenmerk», hält sie fest. Sie sei verantwortlich für den Vertrieb und für alle Produkte, die nicht tagesfrisch sind. Sie bestelle die benötigten Mengen in der Produktion und koordiniere die Verteilung der Artikel in die Filialen.

Baumnüsse aus Graubünden

«Wir beschaffen immer mehr Rohstoffe regional, wenn möglich sogar lokal. Eier, Honig und Erdbeeren kaufen wir bereits ausschliesslich in Graubünden ein», erklärt Sabrina Fry-Merz und freut sich: «In diesem Jahr haben wir die ersten Bündner Nusstorten mit einheimischen Baumnüssen produziert.» Damit sich ein Produkt verkauft, benötigt es eine Verpackung. An dieser Stelle kommt Barla Merz ins Spiel. Als Creative Director ist sie für den gesamten Auftritt inklusive Läden, Schaufenster und Vitrinen zuständig.» «Ich habe vom Brotsack über Glacekübeli und Pralinéschachteln alle Verpackungen selbst entworfen», sagt sie und strahlt: «Die Entwicklung von Geschenkverpackungen mag ich besonders.»

In diesem Jahr haben wir die ersten Bündner Nusstorten mit einheimischen Baumnüssen produziert.

Sabrina Fry-Merz

Sabrina ist ein riesiges Organisationstalent.

Seraina Merz

Handmuster und Organisationstalent

Im Kreativprozess – bei der Entwicklung neuer Produkte – wirkt das Mutter-Tochter- Gespann: «Für neue Verpackungen entwerfe ich immer zuerst ein Modell von Hand», sagt Barla Merz. Nach Umsetzung durch die hauseigene Grafikerin würden die Entwürfe an den gemeinsamen Ideensitzungen weiterentwickelt und Sabrina nehme die Artikel anschliessend in Planung. «Ich bin an allen Produktionsschritten – von der Entwicklung und Produktionsplanung über die Artikelaufnahme ins System, die Preis- und Sortimentsgestaltung bis hin zum Verkauf – beteiligt», fasst Sabrina, die auch Mitglied der Geschäftsleitung ist, zusammen. Ihre Schwester Seraina bringt es auf den Punkt: «Sabrina ist ein riesiges Organisationstalent.»

Bei der Gastgeberin sind die «Bibeli» kariert

Zurück zu Barla Merz. Sie liebt es, Gastgeberin zu sein, und hat ein besonderes Flair dafür, die Wünsche der Gäste zu lesen. In ihrer Rolle unterstützt sie das Servicepersonal beim Mittagsservice im Hauptgeschäft und bietet Hand, wo es sie gerade braucht. «Weiter entwerfe ich mit unserem Chef-Confiseur saisonale Marzipan- und Schokoladenfiguren», erzählt Barla Merz: «Bei uns tragen die ‹Schoggihasen› auch mal Handtaschen und die ‹Bibeli› karierte Kleidung.» Ich war schon immer sehr modeinteressiert», sagt Barla und lächelt verschmitzt.

Bei uns tragen die ‹Schoggihasen› auch mal Handtaschen und die ‹Bibeli› karierte Kleidung.

Barla Merz

Ein Gartenstuhl mit Aussensicht

«Die Gartenstühle haben wir vergessen zu erwähnen», sagt Sabrina und schaut Seraina aufmunternd an. «Für die Möblierung des Gartencafés in Chur habe ich Testmodelle organisiert und diese meine Familie präsentiert. Sie entschieden sich für das Modell ‹MC16› von unserer Firma eszett.ch, ohne zu wissen, dass dies ein von meinem Mann und mir entworfener Prototyp war», erzählt sie schmunzelnd. «Wir fanden alle, dass dies der bequemste und praktischste Stuhl ist», sagt Sabrina.

Seraina hakt ein: «Ich finde es spannend, gemeinsam etwas zu entwickeln. Gerade weil man sich so vertraut, was aber nicht heisst, dass wir keine ‹Fights› und Meinungsverschiedenheiten untereinander haben.» Sabrina ergänzt: «Wir sind einander gegenüber kritisch, aber immer offen für neue Ideen. Ich empfinde deinen Part als extrem wichtig – du hast die Aussensicht», sagt sie zu ihrer Schwester. Die fügt an: «Ich schätze den respektvollen Umgang, den wir trotz aller Diskussionen pflegen.»

Ich empfinde deinen Part, Seraina, als extrem wichtig – du hast die Aussensicht.

Sabrina Fry-Merz

Das ergibt ein Ganzes, das sich gut anfühlt.

Barla Merz

Vom Berliner zur Schokoladen-Manufaktur

Sie hätten oberhalb der Bäckerei gewohnt, und jedes Kind habe auf seine Weise mitgeholfen, erzählt die Architektin und erinnert sich: «Ich habe Berliner gebacken.» Sabrina fügt an: «Alle Kinder waren vorerst weg vom Familienbetrieb und sind zufällig wieder hineingerutscht. Ein Glück, dass wir dies so gemeinsam machen können.» Barla, die aufmerksam zuhört, sagt stolz: «Das ergibt ein Ganzes, das sich gut anfühlt.»

Nächstes Familienprojekt in den Startlöchern

Das nächste gemeinsame Familienprojekt sei bereits am Start, verraten die drei Powerfrauen. «Im August 2021 werden wir unsere eigene Schokoladen-Manufaktur mit Showroom im Hauptgeschäft an der Bahnhofstrasse in Chur eröffnen. Wir zeigen unseren Kunden, wie aus Kakaobohnen Schokoladentafeln entstehen», so Sabrina. Die Übersicht über die Herkunft der Kuvertüren werde immer schwieriger. Nachhaltigkeit und faire Preise, von denen die Kakaobauern leben, seien ihnen wichtig. Barla Merz fügt abschliessend an: «Die neue Verpackung steht schon fast.» Die drei Frauen grinsen und beissen herzhaft in ein Stück Schokolade. Man darf auf das zweite Merz-Familienprojekt der dritten Generation gespannt sein.

Fotos: Holger Jacob 

Zum Betrieb

Merz, Chur

Roni Merz, Vorsitzender der Geschäftsleitung, leitet das Familienunternehmen bereits in dritter Generation. Merz gehört mit einem Team von rund 160 Mitarbeitenden und zehn Standorten zu den grössten Bäckerei-Confiserie- und Gastronomieunternehmen der Ostschweiz. Sich auf Augenhöhe zu begegnen und einander wertzuschätzen, sind wichtige Teile der Firmenkultur – innerhalb der Familie wie auch gegenüber sowie unter den Mitarbeitenden – und das ist von aussen spürbar.

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Autorin Franziska Dubach WF19441

Franziska Dubach

Autorin

Als gelernte Bäcker-Konditorin ist für mich Backen bis heute eine grosse Leidenschaft.

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