Die Vegane Gesellschaft Schweiz poliert seit 2011 das Image der pflanzlichen Ernährung. Wir haben mit Geschäftsleiterin Sarah Moser über Veganismus und Vegetarismus, die Ziele ihres Vereins und leckere pflanzliche Gerichte gesprochen.

Frau Moser, es gibt verschiedene gute und bekannte Gründe, sich vegan zu ernähren. Was für Argumente gibt es, die bisher nicht so viel Beachtung finden?
Wenn ich mir eine Gegenfrage erlauben darf: Mit den guten, bekannten Gründen meinen Sie wahrscheinlich, dass das Tierleid verringert wird, dass die eigene Gesundheit profitieren kann und die Umwelt geschützt wird?

Genau. Und was kommt noch dazu?
Wenn es um den Umweltschutz durch Veganismus geht, reden die Leute meist nur von der Reduktion des CO2-Ausstosses und vom verringerten Wasserverbrauch. Weniger beachtet wird etwa, dass durch die Nutztierhaltung unsere Böden verpestet und ausgelaugt werden, dass wir ein massives Artensterben haben oder dass Futter für Nutztiere vor allem in schädlichen Monokulturen angebaut wird, was alles durch vegane Ernährung gemildert werden kann. Ganz aktuell ist der Aspekt, dass aufgrund der Ernährung mit tierischen Produkten ein Grossteil der Welternte verschwendet wird: Wir bauen jährlich rund eine Milliarde Tonnen Getreide und Soja nur dafür an, Nutztiere zu füttern, und verlieren so etliche der investierten Kalorien. Dadurch werden Nahrungsmittel unnötig knapp, die Preise steigen – und betroffen sind meist die, die sowieso schon zu wenig zu essen haben. In der jetzigen Situation sind nun auch einmal wir in der Schweiz betroffen. Sowohl die Ukraine als auch Russland produzieren normalerweise viel Getreide für den europäischen Markt, unter anderem als Futtermittel für die Nutztiere.

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Zur Person

Sarah Moser

Vor sechs Jahren überzeugte sie eine Freundin vom Veganismus. Nach ihrem Studium der Politikwissenschaften an der Uni Zürich wurde Sarah Moser 2020 auf die Vegane Gesellschaft Schweiz aufmerksam und konnte dort dank ihrer Nonprofit-Erfahrung im Bereich Projekte & Events einsteigen, wo sie knapp zwei Jahre tätig war. Im Februar dieses Jahres übernahm sie dann die Geschäftsleitung der Veganen Gesellschaft Schweiz.

vegan.ch

Die Alternativen zu tierischen Produkten müssten gleich viel oder weniger kosten, damit die Leute einen Anreiz haben, zuzugreifen.

Sarah Moser

Vegane Gesellschaft Schweiz

Was halten Sie von Vegetarismus? Ist das eher ein begrüssenswerter Schritt in die richtige Richtung, weil der Fleischkonsum sinkt, oder eher bedauernswerte Inkonsequenz, weil man das ethisch Richtige nicht nur «halb» machen sollte?
Als Vegane Gesellschaft Schweiz sind wir der Meinung, dass es aus ethischer Sicht inkonsequent ist, sich «nur» vegetarisch zu ernähren. Auch für vegetarische Nahrungsmittel werden Tiere ausgebeutet. Nichtsdestotrotz kann Vegetarismus aus der Verhaltensperspektive ein sinnvoller Zwischenschritt hin zu einer Konsumweise ohne tierische Produkte sein. Vielleicht traut man sich nicht, direkt schon im ersten Schritt in aller Konsequenz zum Veganismus zu wechseln. Oder man hat sich nicht allzu tief mit dem Thema auseinandergesetzt und denkt erst, Vegetarismus reiche ja, bevor man dann herausfindet, wie problematisch auch die Herstellung von Milch, Käse und Eiern ist.

Begonnen hat die Geschichte Ihres Vereins ja mit Ihrem Präsidenten Raphael Neuburger, der 1997 die Website vegan.ch startete. Wie nehmen Sie den Erfolg Ihrer Gesellschaft aktuell wahr? Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung?
Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Herr Neuburger sich damals gefühlt haben muss – Veganerinnen und Veganer galten in den 90er-Jahren als freud- und farblose Randerscheinung. Vegane Produkte gab es hauptsächlich im Reformhaus, und ausser Sojamilch waren kaum pflanzliche Milchersatzprodukte verfügbar. Inzwischen ist das Thema viel präsenter; die Medien berichten öfter und positiver über den veganen Lebensstil, und die Regale der Detailhändler sind gut gefüllt mit veganen Ersatzprodukten – es kommen gefühlt jeden Tag neue hinzu. Es hat nicht mehr nur Sojamilch, sondern auch Hafer, Mandeln, Reis, Cashewnüsse, Quinoa, Kichererbsen – und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Das ist aus unserer Sicht natürlich sehr erfreulich. Diese Erfolge sind sicher zu einem nicht unbedeutenden Anteil auf unsere Öffentlichkeitsarbeit zurückzuführen, unsere Zusammenarbeit mit diversen Unternehmen und unsere Projekte und Kampagnen wie zum Beispiel den «Veganuary», unsere grosse Kampagne im Januar. Zusammengefasst: Wir sind sehr zufrieden – aber wir sehen weiterhin Luft nach oben.

Gäbe es einen Punkt, an dem Sie die Aufgabe Ihrer Gesellschaft als erfüllt ansehen würden? Oder denken Sie, es wird die Vegane Gesellschaft Schweiz immer brauchen?
Ich denke, die meisten Nonprofit-Organisationen haben das Ziel, sich auflösen zu können, weil sie ihren Zweck erfüllt haben. Wir haben die Vision einer Welt, in der die vegane Lebensweise für alle einfach und die beste Option ist.

Aus ethischer Sicht ist es inkonsequent, sich ‹nur› vegetarisch zu ernähren.

Sarah Moser

Vegane Gesellschaft Schweiz

Mit welchen Teilzielen könnte man «messen», ob dieses Ziel erreicht wurde?
Zum Beispiel mit der Abschaffung der Massentierhaltung. Weiter müssten die Alternativen zu tierischen Produkten gleich viel oder weniger kosten, damit die Leute einen Anreiz haben, zuzugreifen. Und es sollte allen klar sein, dass Veganismus die beste Option ist, weil die Argumente und die Informationen zu den positiven Auswirkungen dieser Ernährungsweise hinreichend bekannt sind.

Zum Schluss: Können Sie uns den einen oder anderen Geheimtipp geben, was schmackhafte vegane Gerichte angeht?
Die Freundin, durch die ich vegan wurde, machte oft ein sehr feines veganes Mac & Cheese – das zählt bis heute zu meinen Leibgerichten und ich koche es regelmässig. Die Sauce besteht unter anderem aus Kürbis – zumindest im Herbst, sonst auch aus Suppengemüse. Weit oben auf meiner Liste steht auch eine Linsen-Bolognese mit selbstgemachtem Reibkäse aus Nüssen, Samen und Hefeflocken. Mit diesem Käse mache ich etwa auch Risotto: Noch etwas vegane Crème fraîche dazu und das Risotto ist cremiger als jede nichtvegane Version! Im Sommer gibt es bei mir oft Ofengemüse, zum Beispiel mit einer Tahini-Marinade. Unser Blog auf vegan.ch bietet viele weitere gute Ideen für vegane Gerichte. Wir haben ausserdem ein Kochbuch von Betty Bossi unterstützt, in dem sich viele veganisierte Schweizer Gerichte befinden. Viele neue Schweizer Veganer vermissen die typischen Leibgerichte aus ihrer Kindheit und freuen sich deswegen sehr über diese veganen Versionen.

Bilder: bauhaus1000/Getty Images;Marina Menz

raphael dorigo salat

Raphael Dorigo

Autor

Als Sprachgourmet kreiere ich leidenschaftlich Texte, die mehr sind als Wortsalat.

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