Bereits die Mönche des ehemaligen Klosters Kartause Ittingen ernährten sich von den Produkten des eigenen Bauernhofs. Bis heute ist die Stiftung Kartause Ittingen diesem Grundsatz treu geblieben und bietet die Produkte nicht nur in der Restauration an. Der Grundgedanke der Mönche lebt hier weiter – dies führt zu einem hohen Beitrag zur Reduktion von CO2.

Auf der Autobahn der Westumfahrung von Zürich herrscht starker Verkehr. Je mehr das Ziel Kartause Ittingen näherkommt, desto geringer ist das Verkehrsaufkommen. Die Signalisation ist ideal. Kurz nach der A7-Autobahnausfahrt kommen die ersten Hinweistafeln. Der Innenhof der Kartause ist autofrei, daher parkieren wir circa 200 Meter ausserhalb. Der Fussweg führt zwischen einem Hopfenfeld und einem mit Schilf bewachsenen Teich zur Kartause. Zwei junge «Taucherli» streiten sich lauthals um ihr Morgenessen. Der Empfang im Innenhof ist einzigartig. Am Ende des grossen Kiesplatzes stehen, geschützt durch Sonnenschirme, 15 bis 20 Tische des Restaurants Mühle. Gegenüber befinden sich eine Metzgerei, eine Schreinerei und eine Käserei. Eine Oase mit etlichen alten Gebäuden aus vergangener Zeit, kombiniert mit modernen Anbauten.

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Restaurant Mühle

Der Koch im Blumenbeet

Die Temperaturen Anfang Juli sind beachtlich hoch. Nina Schneider, die Lernende Restaurationsfachfrau, scheint dies nichts auszumachen. Freundlich erwidert sie: «Gerne werde ich Valentin Bot ausrichten, dass Sie hier sind.» Zwei, drei Minuten später erscheint der sympathische Anfangsvierziger. Nach der Begrüssung schlägt er vor, uns bei einem Rundgang den Betrieb zu zeigen. «Als ich vor acht Jahren hier angefangen habe, war mir nicht bewusst, welchen Einfluss die einzelnen Betriebe auf das Tagesgeschäft haben. Ich war überrascht, wie viele Produkte hier erzeugt werden. Mittlerweile sind es weit über 200, die in der Landwirtschaft, Gärtnerei, Töpferei und in den restlichen Betrieben hergestellt und im Restaurant, dem Hotel und im Klosterladen angeboten werden», erklärt Valentin Bot, während wir durch die Gärten mit Hunderten Rosen schlendern. Wir erreichen die Gärtnerei mit etlichen Beeten voll wohlriechender Küchenkräuter wie Basilikum, Pfefferminze, Dill usw. Im Kapuzinerkressebeet steht ein Koch und knipst gelbe und orange Blüten ab, die er sorgsam in eine Gastronormschale legt. «Das ist unser Küchenchef Jürgen Stöckel», stellt Valentin Bot den Mann im Blumenbeet vor.

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Mittlerweile sind es weit über 200 Produkte, die in der Landwirtschaft, Gärtnerei, Töpferei und in den restlichen Betrieben hergestellt und im Restaurant, der Hotellerie und im Klosterladen angeboten werden.

Valentin Bot, Hoteldirektor

Essbare Blütendeko

Mit einem kräftigen Händedruck begrüsst uns der Küchenchef und fängt gleichzeitig an zu erzählen: «Früher habe ich den Lavendelsträuchern ohne Bewilligung die Blüten abgeschnitten. Das hat bei unseren Gärtnern verständlicherweise zu grossem Unmut geführt. Mittlerweile darf ich wünschen, welche essbaren Blüten angepflanzt werden. Die Chefgärtnerin, Monika Rattaggi, pflanzt meine Blüten an und liefert diese auch in die Küche. Jeden Teller garnieren wir mit Blüten oder kreieren daraus Salate.»

Frisch vom Teich

«Heute Abend benötige ich einige Forellen und Lukas Roggensinger, Leiter Umgebungsunterhalt, ist gerade dabei, diese zu fischen», teilt uns der Küchenchef mit. Diese Gelegenheit lassen wir uns nicht entgehen und begleiten den Küchenchef zum Forellenteich. Lukas Roggensinger und Jürgen Stöckel fangen sofort an, über Gewicht, Grösse und Anzahl der zu fangenden Fische zu diskutieren. Mit einem Feumer fangen die zwei die vereinbarte Menge. «Ich liebe diese Tage, an denen ich mir die Zeit nehmen kann, um die Gärtnerei, die Fischzucht oder den Bauernhof zu besuchen. Das kommt sehr selten vor», hält Jürgen Stöckel fest und fährt weiter: «Beim Spaziergang durch unseren fantastischen Garten kommen mir oft kreative Rezeptideen.»

Null-, Fünf und Zehn-Kilometer-Menü

An regelmässigen Sitzungen besprechen sämtliche Bereichsleiter der Kartause ihr Angebot, das sie produzieren oder benötigen. So liefert der Bauernbetrieb die gesamte Milchmenge an die Molkerei und das Fleisch der Schweine, Kälber oder Schafe an die Metzgerei. Daraus ist die Idee entstanden, ein Null-Kilometer-Menü zu kreieren. Das heisst, alle Lebensmittel haben keinen Kilometer Transportweg hinter sich. «Wenn Bauern Lebensmittel aus der Umgebung, zum Beispiel Erdbeeren, liefern, die wir nicht in genügender Menge ernten können, erhalte ich vom Lieferanten durch Google Maps die genaue Entfernung vom Ernteplatz bis zum Restaurant Mühle. Oft konnte ich ein Menü so nicht als Null-Kilometer-Menü deklarieren. Aus diesem Grund haben wir das Fünf- oder Zehn-Kilometer-Menü dazugenommen », erklärt Jürgen Stöckel stolz. «Mit dem Null-Kilometer-Menü leisten wir einen grossen Beitrag zur CO2-Reduktion. »

Überproduktion

Inzwischen stehen wir in der Küche und beobachten, wie Ueli Müller, der Produktionschef, mit flinken Schnittbewegungen eine Zucchetti nach der anderen in gleichmässige Scheiben schneidet. «Heute Morgen erhielten wir Harassen mit Zucchetti. Einen Teil planen wir in die Menüs ein. Der Rest wird mit Essig, Zucker und Salz mariniert, gedämpft und vakuumiert. Nach einem bis zwei Monaten können wir die Zucchetti als Salat oder auf dem Vorspeisenbuffet servieren. Auch wieder ein Gericht mit null Kilometer Transportweg. Mit Sterilisieren, Pasteurisieren, Vakuumieren und Tiefgefrieren schaffen wir es, die oft grosse Menge Gemüse haltbar zu machen. Eine unserer Spezialitäten ist der hauseigene ‹Loop the Loop the Burger mit Gewürznostranogurken, Hofkäse, Speck und dem hausgemachten Brötli. Auch ein Null-Kilometer-Menü. Hier kommt dazu, dass der Burger auf einem Teller angerichtet wird, den wir selbst hergestellt haben», erklärt uns Ueli Müller.

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Mit dem Null-Kilometer-Menü leisten wir einen grossen Beitrag zur CO2 Reduktion.

Jürgen Stöckel, Küchenchef

Die Töpferin

In einer ehemaligen Mönchsklause ist eine Töpferei eingerichtet. Nach dem Anklopfen empfängt uns Céline Moser in astreinem Berndeutsch mit einem erstaunten Blick. Wir stören eine Sitzung. Céline Moser ist umringt von drei bis vier Mitarbeitenden. Die Sitzung ist beendet, als sie die Kamera des Fotografen und meinen Schreibblock sehen. Sie verabschieden sich hastig von ihrer Betreuerin. Céline Moser klärt uns auf, während sie eine Handvoll Lehm auf die Töpferscheibe schlägt: «Hier arbeiten Menschen mit leichter Beeinträchtigung. Einige davon haben ein bisschen Angst vor der Kamera. » Die Töpferscheibe dreht sich und der Lehm formt sich unter den Händen von Céline Moser zu etwas Flachem mit Rand. Mit einem nassen Schwamm und leichtem Druck erkennen wir die Form des «Loop the Loop the Burger»-Tellers «Was sind die nächsten Schritte?», möchten wir wissen. Céline Moser ist mit Leidenschaft Töpferin. Sie hat ihre Freunde und Familie in Bern verlassen, um ihrem Beruf als Töpferin in der Ostschweiz nachzugehen. Ausführlich erklärt sie, dass der Teller ein bis zwei Tage stehen bleibt, bis er «lederhart » sei, anschliessend bekommt er zwei Ringe am Boden, die als Stütze dienen, damit der Tellerboden nicht durchhängt. Der Teller wird bei 1020 Grad Celsius vorgebrannt, dann schwarz glasiert und bei 1280 Grad Celsius nochmals gebrannt.

Céline Moser zeigt uns eindrücklich, wie ein Teller hergestellt wird.

Punktlandung

Zurück im Restaurant Mühle, bestellen wir ein Null-Kilometer-Menü: den «Loop the Loop the Burger.» Nachdenklich sitzt Valentin Bot bei uns am Tisch. «Die Selbstversorgung wird in der Kartause seit über 900 Jahren praktiziert. Einige Konzepte und Ideen sind dazugekommen. Vor sechs Jahren bauten wir eine knapp 600 Quadratmeter grosse Photovoltaik-Anlage mit über 100 000 Kilowattstunden Leistung. Auch diese Anlage leistet einen weiteren Beitrag zur Selbstversorgung», hält Valentin Bot fest und fährt weiter: «Das, was wir immer gemacht haben, passt zum heutigen Trend, wir nutzen die eigenen Ressourcen. Eine Punktlandung, auf die wir stolz sind. Dies ist auch ein grosses Verdienst der Mitarbeitenden, die immer wieder spannende Ideen einbringen.» Wir verabschieden uns von der Stiftung Kartause Ittingen und gehen zwischen dem Teich und dem Hopfenfeld zum gut besetzten Parkplatz zurück. Die zwei jungen «Taucherli » haben Siesta. Es ist ruhig. Zurück bleibt der grosse Respekt vor den Menschen, die täglich daran arbeiten, die eigenen Produkte in die Gastronomie, den Hotelleriebetrieb und den Klosterladen einzubeziehen und dadurch einige Zulieferungen zu kanalisieren oder zu reduzieren.

Fotos: bienz-photography.ch

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Loop the Loop the Burger
Erich Büchler

Erich Büchler

Autor

Früher kreierte ich als Koch aussergewöhnliche Gerichte aus Schlüsselblumen und Brennnesseln.

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